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Brahms... Eine kuriose Geschichte
„Brahms, Brahms und immer wieder Brahms" antwortete vor einigen Jahren eine Redakteurin der Musikzeitschrift „Rondo" auf die Frage, wer für sie der am meisten ÜBERschätzte Komponist sei, wohlbemerkt ÜBER... nicht unterschätzt. Aber anstatt vom Chef für diese Maßlosigkeit in hohem Bogen hinausgeworfen zu werden erfreute sie sich womöglich der lebhaften Unterstützung Gleichgesinnter, endlich mal Feuer in eingefahrene Diskussionen gebracht zu haben. Musikalische Urteile, wer äußert was über wen, zu welchem Zeitpunkt, aus welchen Gründen und bei welcher Vorbildung, wer hat welchen Geschmack und wem gefällt dieses oder jenes mehr oder weniger, das sind müßige Fragen. Goethe jedenfalls äußerte einmal: „Gefallen – wie ich das Wort hasse."
Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Also Brahms sei der überschätzteste Komponist. Sollte man nicht Respekt haben vor dem Mut, so etwas endlich einmal auszusprechen? Doch wann haben Journalismus und gute Musik je zueinander gefunden? Ist nicht das wirkliche Ohr ein Organ des Herzens?
Nun, Sie werden meinen Bemühungen um die Brahmsschen Balladen und Intermezzi in den Klangproben anmerken, dass ich eine mit Recht frei geäußerte, jedoch gänzlich andersartige Meinung über Brahms habe. Ich halte es für eine maßlose Arroganz und Borniertheit, einen Komponisten mit solchem Lebenswerk wie Brahms es hinterlassen hat, öffentlich deratig abzuwerten. Die Wärme und Glut, die Einfälle und deren Ausarbeitung, der Ton und die Sprache, die Brahms stets zueigen waren, das alles wird man der Dame, deren Namen ich vergaß, nicht erklären können. Und zum „Fühlen" aufgefordert werden möchte sie sicherlich auch nicht. Dafür scheint sie auch nicht begabt genug. Warum schreibt sie über Musik? Oder: Warum lässt man sie über Musik schreiben? Die Antwort ist wahrscheinlich: WEIL sie solche Auffassungen äußert, nicht OBWOHL, denn das macht das Leben interessant. Brahms ist unstrittig ein unglaublich guter Komponist, überhaupt keine Frage. Eigentlich hatte sich das herumgesprochen. Und jetzt muss ich natürlich dazu sagen: FÜR MICH, denn - wie ich allerorten lese - Absolutes gibt es ja nicht.
MG 2012
Nur Klavier??
Gerät ein ... gesellschaftlich irrelevanter Musikpädagoge per freundlicher Einladung selten genug einmal in ... höhere Kreise, ergeben sich oft Gespräche, die zum Erstaunen Anlass geben und fast Loriotsche Züge tragen. Vielleicht kommt er an der festlichen Tafel neben der Gattin einer stadtbekannten Größe zu sitzen, die ich hier einmal "interessierte Dame" nenne.
Also interessierte Dame (ID) und Klavierlehrer (KL):
ID: Sie sind Klavierlehrer?
KL: Ja.
ID: Und Sie spielen Klavier?
KL: Ja, natürlich!
ID: Nur Klavier oder sonst noch was? Mein Neffe, der Dirk, der ist jetzt 16, der kann fünf Instrumente: Schlagzeug, Gitarre, E-Bass, Mundharmonika und ... er kann sogar auf einem Kamm blasen! Hat er sich alles selber beigebracht!
KL: Donnerknispel!
ID: Aber Sie spielen lediglich Klavier?
KL: Ja... lediglich...
ID: Und das reicht Ihnen?
KL: Die Klavierliteratur ist ziemlich umfangreich...
ID: Und Sie haben das richtig studiert?
KL: Ja, natürlich.
ID: Wissen Sie, ich wollte auch immer Klavier lernen, aber wir waren damals sieben Geschwister...
KL: ...hmm...
ID: Und im Studium lernt man nur ein Instrument?
KL: Als Zweitfach hatte ich Gesang, vier Semester lang.
ID: (guckt erstaunt...) Aber jetzt singen Sie nicht mehr?
KL: Weniger...
ID: Denn so Sänger, die müssen ja auch.... Sind Sie auch nicht der Typ für... Und wo unterrichten Sie Klavier?
KL: Privat und an der Uni.
ID: An der Universität sogar!?
KL: Ja, am Musikpädagogischen Institut.
ID: Ach so, und die spielen da auch Klavier?
KL: Ja, ich habe acht Studenten mit Hauptfach Klavier.
ID: Ach, Hauptfach unterrichten Sie auch?
KL: Ja, Hauptfach Klavier für Lehramtskandidaten.
ID: Und was müssen die da so spielen?
KL: Möglichst gute Klaviermusik, von Bach über die Romantik bis zur Gegenwart...
ID: Jetzt nur so Klassik oder auch mal 'n bisschen was Flottes...?
KL: Auch mal was Flottes, von allem etwas...
ID: Ist ja interessant, und was werden die dann?
KL: Lehrer an einer allgemeinbildenden Schule, guter Musikunterricht ist so wichtig...
ID: Ja, ja, das sagt auch mein Neffe, der Dirk. Sein Musiklehrer hatte da so ein ganz tolles Projekt auf die Beine gestellt: „Schlagzeug zum Abreagieren“, das sei bei den Schülern sehr gut angekommen...
KL: Entschuldigung, ich müsste dann doch mal eben für kleine Jungs...
Noch signifikanter erging es einem Kollegen, der einen Schüler intensiv und erfolgreich auf „Jugend musiziert“ vorbereitet hatte. Der Schüler hatte einen Preis gewonnen, und nach dem Preisträgerkonzert bedankten sich seine Eltern bei dem Pädagogen für sein Engagement, das weit über die wöchentliche Unterrichtsstunde hinausgegangen war, fragten dann aber doch als man sich verabschiedete sehr interessiert: Sagen Sie mal, was wir immer schon wissen wollten: Was machen Sie eigentlich beruflich?
Es ist doch immer wieder interessant, ein klares Gespräch mit Menschen zu führen, die im Leben wie in der Kultur solide verwurzelt sind.
MG 2012